Medienkompetenz

Quo vadis, Medienkompetenz?

Seit einiger Zeit erfreut sich der Begriff „Medienkompetenz“ intensiver Beliebtheit. Politische Entscheider, Vertreter öffentlicher Institutionen, Verbände und Interessensvertretungen sowie Bildungseinrichtungen diskutieren schier endlos darüber. Was aber bedeutet Medienkompetenz im digitalen Zeitalter wirklich und wann werden Eltern und ihre Kinder eingeladen, sich an diesen Diskussionen als unmittelbar Betroffene zu beteiligen?Wenn über Medienkompetenz gesprochen wird, wird oft auf die neuen – insbesondere sozialen – Medien verwiesen. Immer weniger kommen Zeitung, Radio und TV ins Spiel, sondern sehr oft fallen in diesem Zusammenhang Begriffe wie Facebook, Twitter, YouTube oder Wikipedia (im Speziellen) bzw. Wiki (im Allgemeinen). Viel tiefer wollen die meisten Aussagen dann auch nicht gehen. Und hier liegt das eigentliche Probleme: Wo fängt Medienkompetenz an und wo hört sie auf? Ein Blick auf die Begriffsdefinition in der Wikipedia gibt einen ersten Einblick darüber, wie verworren die Situation wirklich ist. Schon der einleitende Satz sagt aus meiner Sicht nichts aus:

„Medienkompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Medien und ihre Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend zu nutzen.“

Medienkompetenz bedeutet weit mehr als die Nutzung von Medien und Inhalten. Eng damit verbunden sind die entsprechenden Endgeräte, vor allem Smartphones und Tablets erobern die heimischen Wohnzimmer. Dabei bedeutet Medienkompetenz nicht nur, dass jemand in der Lage ist, ein Smartphone oder Tablet zu bedienen, ein paar Apps zu installieren und diese dann zu benutzen. Natürlich liegen Apps rund um Social Networks, Spiele und Musik oftmals recht weit vorne im eigentlichen Nutzungsverhalten. Schließlich geht es vielen Menschen wohl eher nur um Unterhaltung bei der Nutzung entsprechender Endgeräte als darum, sich mit den Geräten versiert zu informieren und effektiv die Medien zu nutzen.

Ein tieferes Verständnis von Medienkompetenz weisen jedoch die Wenigstens vor. Einfache Aspekte, wie wir sie aus dem Alltag eigentlich kennen sollten, werden dabei im digitalen Bereich oft genug unterschlagen. Dazu zählt insbesondere ein respektvoller Umgang miteinander, der Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten oder das richtige Teilen und Verbreiten von Informationen.

Viel zu spät haben politische Entscheider, Wirtschaftsvertreter und die Gesellschaft angefangen, über die möglichen Risiken zu diskutieren. Konkrete Lösungen verblassen dabei zusammen mit allen Chancen der digitalen Medienwelt im Hintergrund. An der Tatsache, dass die Technologie ein Teil unseres Lebens geworden ist, kommen wir jetzt nicht mehr vorbei. Sofern wir uns nicht zurück in die pre-digitale Steinzeit zurückversetzen möchten, sollte diese Akzeptanz für die ebenbürtige Relevanz von klassischen und digitalen Medien auf allen Ebenen einsetzen. Aus diesem Grund erfordert Medienkompetenz den verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Medien. Statt aus einer „German Angst“ die Nutzung von digitalen Umfeldern zu verbieten und im schlimmsten Fall selbige zu blockieren, sollten alle beteiligten die Initiative ergreifen, dass Deutschland und seine Mitbürgerinnen und Mitbürger diese neue digitale Welt gemeinsam und aktiv gestalten.

MedienkompetenzDie Mediennutzung fängt bereits im frühen Kindesalter an und schließt per sofort die digitalen Endgeräte mit ein. Medienkompetenz beschränkt sich demnach nicht mehr nur auf klassische Medien. Bücher und Zeitungen wirken mittlerweile harmlos, das Radio wird selten genutzt, und den Fernseher möchten Kinder mittlerweile mit den von Smartphones und Tablets bekannten Wischfunktionen bedienen. Denn jeder Dreijährige ist in der Lage, ein Endgerät mit Touchfunktion nahezu intuitiv zu bedienen. Die Hersteller haben ihr Versprechen gehalten, unserer Gesellschaft eine „kinderleichte“ Umgebung zu liefern.

Von Medienkompetenz kann dabei jedoch laut der obigen Definition über die banale Fähigkeit einer Mediennutzung kaum die Rede sein. Doch beginnt sie genau hier, die Befähigung Medien, Endgeräte und Inhalte zu nutzen. Zwar wäre ein Dreijähriger aufgrund der fehlenden Sprachausbildung in puncto Lesen und Schreiben noch längst nicht in der Lage, ein Smartphone oder Tablet in vollen Zügen zu nutzen. Aber in diesem Moment wirkt die neue Technologie eher wie ein Spielgerät. Mit zunehmenden Alter wird ein solches Kind immer mehr Funktionen entdecken und verstehen. Schließlich werden die digitalen Geräte zu Alleskönnern im täglichen Leben: Unterhaltung, Informationen, Wissen, Arbeitswelt, sozialer Wegbegleiter und Entdeckung der eigenen Kreativität.

Doch darüber hinaus müssen Kinder lernen, dass neben der virtuellen Welt selbstverständlich eine echte Welt existiert. Sie müssen verstehen, die Prioritäten richtig zu setzen. Die virtuelle Welt darf nicht über der realen Welt stehen. Kinder müssen erkennen, dass sowohl Endgeräte als auch digitale Medien keine Gefühle besitzen, wir Menschen aber schon. Sie transferieren diese Gefühle zwar virtuell, aber können reale Schmerzen zufügen. Geräte verzeihen viele Fehler, Menschen aber nicht immer. Fehler zu machen ist wichtig und ermöglicht Kindern, sich auszuprobieren und dabei neue Wege zu begehen. Mediennutzung und Medienkompetenz sollte daher zum Ziel haben, dass Kinder ein mündiges Mitglied unserer Gesellschaft werden und diese bereichern.

Medienkompetenz fängt ganz brachial offline an. Kinder müssen ihre eigene reale Welt verstehen, um sie in Einklang mit ihrer virtuellen Welt zu bringen. Digitalität entsteht durch Realität. Sie müssen demnach lernen, dass sie offline sowie online die gleichen Menschen sind und damit die gleichen Regeln der zwischenmenschlichen Kommunikation und des gemeinsamen Miteinanders gelten. Hierfür brauchen sie verantwortungsbewusste Menschen, die ihnen nicht nur zeigen, sondern auch vermitteln können, wie das Zusammenspiel funktioniert.

Gefordert sind Menschen, welche die digitale Welten nicht immer nur als Gefahr darstellen. Kinder sollten früh lernen, wie sie sich einen sicheren Benutzernamen zulegen, welche persönlichen Daten sie freigeben dürfen und welche Informationen sie besser nicht veröffentlichen sollten. Sie müssen verstehen lernen, warum Passwörter sicher sein sollten und weshalb es Loginnamen als Pseudonyme gibt. Gleichermaßen müssen sie begreifen, warum der Diebstahl solcher Daten kein Kavaliersdelikt ist, dass sie die Technologie ihren Interessen entsprechend und ebenso zum unterstützenden Lernen nutzen. Natürlich ist es dann auch wichtig, dass sie das Gelernte an andere weitergeben können und helfen können. Solche essentiellen Dinge sollten bereits Grundschüler lernen. Auf diese Weise könnten wiederum die Größeren den Kleineren helfen, die digitale Welt richtig und gemeinsam zu erkunden.

Unserer Gesellschaft und insbesondere den Kindern fehlen meist diese Grundlagen. Weil Medienkompetenz jedoch nicht nur das stoische Beherrschen des Apparatus bedeutet, müssen Kinder spätestens mit der weiterführenden Schule erlernen, wie sie efffektiv und sinnvoll nach Informationen und Wissen im digitalen Äther recherchieren. Ihr Verständnis muss reifen, dass hierfür nicht nur Google existiert, sondern dass Recherche sowohl online als auch offline erfolgen kann. Zudem sollten Kinder bereits früh verstehen, wie Quellen beurteilt werden und wie die verschiedenen Quellen einzusetzen sind. Das richtige Zitieren und die Angabe von Quellen, vor allem welche Quellen wie und wann zu nutzen sind, was eine CC-Lizenz und wiederum vertrauenswürdige Quellen ausmachen, aber auch was passiert, wenn man sich bei der Recherche inkorrekt verhält und welche Konsequenzen drohen. Ebenso sollten Kinder lernen, wie digitale Räume genutzt werden, die ein kollaboratives Arbeiten ermöglichen oder im Rahmen von Projekten zur gemeinschaftlichen Kommunikation dienen. Selbst in dieser Hinsicht haben viele Erwachsene einen deutlichen Nachholbedarf.

Wenn unsere Kinder diese Grundlagen jedoch beherrschen und Medienkompetenz nicht nur als die einfache Befähigung zum Medienkonsum verstanden wird, kann unsere Gesellschaft im späteren Leben fähig sein, den technologischen und digitalen Fortschritt für den Standort Deutschland voran zu treiben. Sie werden lernen zu evaluieren, welche Informationen, Medien und Endgeräte sie dazu benötigen – und welche nicht. Egal, ob sie Programmieren lernen, Entwicklungen voran treiben oder neue Lebenskonzepte erdenken. Sofern ihnen endlich die Möglichkeit gegeben wird, sich Medienkompetenz adäquat anzueignen. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen Hand in Hand diesen Weg beschreiten, um den digitalen Fortschritt und die Wettbewerbsfähigkeit im nationalen und internationalen Vergleich zu sichern. 


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2 Antworten zu „Quo vadis, Medienkompetenz?“

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